Wer den Hass verbreitet

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Querdenker, Verschwörer, Rechte: Im Messengerdienst Telegram können ebenso gefährliche Inhalte eine bedeutende Reichweite erzielen – bspw. in diesen Kanälen.

Zehntausend, hunderttausend, zweihunderttausend – während Telegram-Kanälen existieren in Richtung Himmel hin kein Limit. Wenngleich Telegram offiziell ein Messengerdienst gleichartig wie Whatsapp ist, können manche Akteure dort einheitlich viele Personen wie ein Massenmedium erreichen. Das ist im Besonderen aus diesem Grund problematisch, weil Telegram weitgehend unreguliert ist und Verschwörungserzählungen, Hass und Hetze ungefiltert auf das Publikum treffen können. In der Datenrecherche #hassmessen stellen wir Galionsfiguren der Querdenker-, Verschwörer- und der rechten Szene vor:

Der Verschwörungsideologe: Ken Jebsen

  • Kanal: „KenFM”
  • Abos: 123 000
  • Typischer Post: „Wenn das Wahrheitsministerium Maulkörbe verteilt”
  • Verschwörer

„Ich weis wer den Holocaust als PR konzipiert hat“, schreibt Ken Jebsen 2011 in fragwürdiger Orthografie einem Hörer seiner RBB-Radiosendung. Zehn Jahre nachdem der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Folge seine Zusammenarbeit mit Jebsen aufgrund „Verstößen gegen die journalistische Sorgfalt“ aufkündigt, wird ebenfalls sein Youtube-Kanal gelöscht: Der ehemalige RBB-Moderator hatte zu viele medizinische Fehlinformationen über das Coronavirus verbreitet. Bei alldem hatte er gerade erst den größten Erfolg seiner Karriere verbucht: Sein meistgeklicktes Streifen handelte von vermeintlichen heimlichen Machenschaften der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. „Youtube wird KenFM nicht zerstören“, skandiert Jebsen kurz darauf. Seine Reichweite mag von Seiten die Löschaktion geschrumpft sein, trotzdem er verlegt seine Filme auf Telegram und wirbt dort weiter für seine Webseite.

Jebsen, der konkret divergent nennt sich, ist ein guter Redner, das sieht man in seinen Spielfilme wie auf der Straße. Bei Protesten von Corona-Maßnahmen-Kritikern wird er als Stargast aufgeladen: eine Rolle, die ihm steht, weil er seit Annos verschiedenste Ideologien im Querfront-Stil konnektiert. Seine pseudoskeptische Systemkritik macht ihn anschlussfähig für politisch Linke, die Schuldzuweisungen an isolierte Menschen für Rechtspopulisten.

Neben dem KenFM-Kanal existieren auf Telegram eine portaleigene Fangruppe: einen „Chat für Aufgeweckte und Weltverbesserer über Themen, die KenFM aufgreift“: Hier werden gleichwohl Inhalte des rechtspopulistischen Compact-Magazins geteilt, Merkel als „lupenreine Kommunistin“ bezeichnet, das Verbot der Holocaustleugnung als „Kern der BRD-Lüge“, das deutsche Reich wird für fehlende Diversität romantisiert: „keine Araberclans“, „keine Transen“. Was Jebsen auf KenFM andeutet, wird in seiner Fangruppe zum Äußersten getrieben.

Der Querdenker: Bodo Schiffmann

  • Kanal: „Alles Ausser Mainstream”
  • Abos: 137 000
  • Typischer Post: „Gemeinsam werden wir die größte Lüge in der Menschheitsgeschichte beenden.”

Für die Corona-Kritiker- und -Leugner-Gemeinde ist Bodo Schiffmann ein Glücksfall: Er ist Arzt und hat damit einen vermeintlichen Expertenstatus bei Themen rund um das Virus; er hat politische Ambitionen, die er bei den Querdenkern und bei den von ihm (mit-)gegründeten Parteien Widerstand 2020 und WiR2020 zu verwirklichen suchte; und er führt beides öffentlichkeitswirksam und reichweitenstark auf erfolgreichen Social-Media-Kanälen bei Telegram und Youtube zusammen.

So performt es der sendungsbewusste Schiffmann, Verunsicherte und Pandemiemüde, Wutbürger und vermeintliche Widerstandskämpfer per Internet und auf der Straße hinter sich zu vereinen. In einem Anno hat er sich vom skeptischen Inhaber einer HNO-Praxis mit Schwindelambulanz zu einer Galionsfigur der Corona-Leugner-Szene erfunden. Er trat wiederholt auf Querdenken-Demonstrationen auf und stellte wahrscheinlich widerrechtlich Atteste für Maskenverweigerer aus, deretwegen seine Praxisräume durchsucht wurden.

Schiffmann von alleine hat sich in der Corona-Krise stark radikalisiert: Am Anfang der Pandemie setzte er sich noch für das Maskentragen ein. Währenddessen schreckt er ebenfalls vor QAnon-Inhalten und Aufrufen zum Putsch gegen den „Deep State“ nicht zurück. Sein Telegram-Kanal „Alles Ausser Mainstream“ hat mit weitestgehend 140 000 Abonnenten eine erhebliche Reichweite: Dort ruft er zur Teilnahme an Demos auf, verbreitet Mustertexte, dadurch Corona leugnende Eltern ihre Kinder von der Testpflicht in der Schule befreien lassen können, schürt Ängste vor Masken und Impfungen. In seinen „Videoanalysen“ steht derweil die persönliche und weltpolitische Apokalypse sogleich bevor: Er warnt vor einem „Krieg der Volksvertreter gegen die Menschheit“ und schüchtert Impfwillige ein: „Ein großer Teil von euch wird sterben, das ist fatalerweise ein Fakt.“ Das stimmt zwar nicht, nichtsdestominder Tausende dürften Schiffmann Glauben schenken.

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